Zeitungsartikel der Westfälischen Nachrichten vom 08.12.2023
Die schleichende Energiewende
Von Peter Beckmann
Es gab doch einige Grevener, die nicht mehr daran geglaubt haben. Aber: Das Projekt Wärmenetz der „Biowärme Greven“ scheint dann jetzt doch eine Zukunft zu haben. Die Finanzierung des Projektes scheint zu klappen. „Mündlich sind wir uns mit der finanzierenden Bank vor Ort einig“, sagte Tobias Werning, einer der beiden Geschäftsführer der „Biowärme Greven“, auf Anfrage dieser Zeitung. Ein unterschriebenes Finanzierungsangebot liege aber noch nicht vor. „Aber wir haben die klare Aussage der Bank, dass sie unser Projekt finanzieren wollen und dass unser Projekt finanzierungsfähig ist.“ Die Pläne sehen vor, Haushalte im Grevener Süden mit Hilfe der Biogasanlage in Guntrup und auch Biogas aus anderen Quellen mit der entstehenden Wärme bei der Erzeugung von Strom zu versorgen. Dazu muss ein Wärmenetz ausgebaut werden. Hört sich einfach an, ist es aber nicht.
Aktuell seien zwei Fördermittelbehörden angeschrieben worden. „Wir haben dort Fördermittel beantragt und warten darauf, dass die Anträge bearbeitet werden“, sagte Werning. Das werde wohl mindestens acht Monate dauern. „Die Anträge werden aber auch erst angenommen wenn das betreffende Projekt sehr genau beschrieben ist inklusive Rohrleitungsplanung und Anschlussplanung der einzelnen Objekte“. Damit sei man inzwischen fertig, die Unterlagen seien eingereicht. Anfang des kommenden Jahres würden die Ausschreibungsunterlagen erstellt, gehe man in die Vergabegespräche. „Wir haben verschiedene Gespräche mit Rohrleitungsherstellern, Tiefbauern und auch Heizungsbauern“. Dann hoffe man auch ganz konkrete Angebote zu bekommen. „Jetzt geht es ans Eingemachte, werden die letzten Details geklärt“, sagt Werning.
Bei den potenziellen Kunden des Wärmenetzes seien zwar einige aus verschiedenen Gründen abgesprungen, „Aber es kommen auch ständig weitere hinzu.“ Grundsätzlich plane man zurzeit erst einmal das Wärmenetz nur für den Grevener Süden. Dort wolle man zeigen, dass es funktioniert. „Es ist aber danach auch nicht ausgeschlossen, dass weitere Straßen und Gebiete mit erschlossen werden.“
Zur Versorgung aller Kunden werden allein die Biogasanlage nicht reichen. „Wir bauen gerade vor Ort auch eine Holzhackschnitzel-Heizung. Die sollen vor allem an Tagen, wo sehr viel Wärme gebraucht wird, als Wärmequelle eingesetzt werden.“ Und auch die Biogasanlage solle weiter ausgebaut werden. „Da läuft aktuell das Genehmigungsverfahren.“ Denn: Es gebe eine große Nachfrage von Betrieben, die Pferdemist und Rindermist entsorgen wollten. „Die Lagerung von diesem Mist ist für Landwirte mit vielen Auflagen verbunden.“ Nach dem Durchlauf in den Fermentern der Biogasanlage könne er dagegen wieder auf die Äcker ausgebracht werden. „Dieser Kreislauf funktioniert recht gut.“ Und deshalb steige die Nachfrage nach Entsorgungsmöglichkeiten stetig. „Wir können also noch deutlich mehr Energie und Wärme produzieren, als es zurzeit möglich ist.“ Er sehe da sehr massive Ausbaupotenziale und die Möglichkeit, die Verbrenner im Heizungssegment herauszubekommen. Ein neuer Fermenter werde derzeit an der Biogasanlage in Guntrup dazu gebaut. „Der ist auch schon genehmigt.“ Der versetzte sie in die Lage, den angelieferten Mist sofort zu verarbeiten, ohne den länger lagern zu müssen. „Da benötigen wir eben ein großes Volumen.“
Zur Speicherung der gewonnen Wärme wird derzeit ein kleiner Wasserspeicher mit 2.000 Kubikmeter gebaut. „Wir haben aber auch noch vor, deutlich größere zu bauen“, erklärt Werning. „Das würde sich aber erst lohnen, wenn wir in der Lage sind, den Strom aus erneuerbarer Energie zur Produktion von Heißwasser zu nutzen, wenn er am Markt nichts wert ist, wenn also durch Fotovoltaik und Wind zu viel produziert wird.“ Das sei immer im Sommer der Fall, die dann produzierte und gespeicherte Wärme könne dann im Winter wieder abgegeben werden. Das funktioniere aber erst, wenn in Greven möglichst viel Strom aus Fotovoltaik und Windkraft produziert werde.
Womit gleich das nächste Thema angeschnitten ist. Denn Tobias Werning ist auch einer der beiden Geschäftsführer der „Bürgerwind Greven GmbH und Co. KG“. Und die plant bekanntlich seit Jahren den Bau von mehreren Windkraftanlagen. „Da sind die Bauanträge gerade in der Erarbeitung“, erklärt Werning. „Wahrscheinlich in der kommenden Woche werden die Bauanträge gestellt.“ Da gehe es dann vornehmlich um die Beteiligung der Deutschen Flugsicherung. „Außerdem sind wir gerade dabei, die nötigen Gutachten für die einzelnen Anlagen erstellen zu lassen.“ Da sei eine sehr umfangreiche und langwierige Angelegenheit. „Das kann dann mal auch eineinhalb Jahre dauern. Denn die Gutachterbüros sind derzeit alle sehr stark beschäftigt.“ Man hoffe, dass die Gutachten im April oder Mai des kommenden Jahres vorliegen. „Dann beginnt das Hauptverfahren im Genehmigungsverfahren.“ Man hoffe, dass dann Anfang 2025 eine Baugenehmigung vorliege. Man habe einige Anlagen mehr beantragt, als tatsächlich gebaut werden. „Da werden einige Anlagen von der Flugsicherung einkassiert.“ Wie viel Anlagen tatsächlich entstehen werden, sei deshalb unklar. „Wenn mich jemand fragt, spreche ich immer von null bis 20 Anlagen.“ Realistisch könne man von 15 bis 16 Anlagen ausgehen. Die Standorte seinen dabei gleichgeblieben.
Genehmigung hin oder her: Natürlich sei dann auch die Verfügbarkeit der Technik ein Thema. „Eine besondere Herausforderung ist es dabei, den Netzanschluss hinzubekommen.“ Seit Mittwoch liege die Einspeisegenehmigung von der „Westnetz“ vor. „Dafür müssen wir aber auch eine eigene Trafostation bauen, damit der Strom in die 120 kV-Leitungen eingespeist werden kann.“ Allerdings gebe es bei den Trafostationen Wartezeiten von zweieinhalb Jahren und mehr. „Wenn wir in drei Jahren bauen wollen, dann müssen wir jetzt die Anlage bestellen. Ein umfangreiches Investment.“ Die Windkraftanlagen selber könne man erst dann bestellen, wenn das Genehmigungsverfahren abgeschlossen sei. „Wir können also davon ausgehen, dass wir, wenn wir Anfang 2025 die Genehmigung haben, noch bis 2026 warten müssen, bis wir bauen können. Das wäre allerdings optimal, realistisch gehen wir von 2027 aus“, so Werning.